Verwaltungsstrukturreform – ein Rückblick einer Betroffenen

Gastbeitrag von Heike Vetter

Die Wahl von Tobias Wilbrand zum Bürgermeister 2018 war für die Verwaltung der Gemeinde Egelsbach eine Zäsur. Bis zu Beginn seiner Amtszeit hatten wir in Strukturen gearbeitet, die über mehrere Jahrzehnte gewachsen waren und den Bedürfnissen immer wieder angepasst wurden. Die gesamte Verwaltung war sehr stark auf den Bürgermeister ausgerichtet, so dass nur wenige Entscheidungen auf den Ebenen darunter getroffen werden konnten.

Doch Tobias Wilbrand hat hier einen ganz neuen Ansatz gewählt. Ihm war es von Anfang an wichtig, die Kompetenz der Mitarbeitenden in der Verwaltung so gut wie möglich zu nutzen. Gleich von Beginn an hat er, wenn es Entscheidungen zu treffen gab, alle Beteiligte an einen Tisch geholt und sich die verschiedenen Sichtweisen erläutern lassen. Meistens hat der Rathauschef dann im Dialog mit den Fachkräften eine Lösung erarbeitet, die aufgrund der Einbindung aller Beteiligten auch von allen mitgetragen wurde. Ein nicht zu vernachlässigender Nebeneffekt dieser Strategie war es, dass der neue Bürgermeister sich schnell in die relevanten Themenkomplexe seiner Verwaltung einarbeiten und so sehr früh inhaltlich mitdiskutieren konnte.

Dadurch, dass die Verantwortung stärker in die damals noch existierenden Ämter verlagert wurde, mussten jedoch die Zuständigkeiten deutlicher voneinander abgegrenzt werden. Darüber hinaus hatten sich aufgrund wiederholter Umstrukturierungen einige Unklarheiten in der Zuständigkeit ergeben, die dringend gelöst werden mussten.

Hinzu kam die Tatsache, dass 2018 eine Reihe von zentralen Positionen nicht mehr besetzt waren, oder absehbar war, dass Führungskräfte die Gemeinde verlassen würden. Allein ein Drittel aller Mitarbeitenden der Verwaltung, darunter auch ich selbst, sind in der ersten Amtszeit von Bürgermeister Wilbrand in Rente oder Pension gegangen.

Vor diesem Hintergrund war eine Verwaltungsstrukturreform sinnvoll. Die Art und Weise, wie diese Reform angegangen wurde, war aus meiner Sicht sehr zielführend. Es gab verschiedene Vorschläge vom Bürgermeister für eine Struktur, die zunächst mit den Führungskräften diskutiert wurden. Ein zentrales Element der Reform war eine weitere Führungsebene. Während es bis zu diesem Zeitpunkt für die sechs Ämter die Amtsleitungen, ihre Stellvertretungen und die Sachbearbeitung gab, ergänzt durch zwei Stabsstellen, die unmittelbar dem Bürgermeister unterstellt waren, wurde nun auf drei Fachbereiche und 10 Fachdienste umgestellt. Eine Stabsstelle blieb erhalten.

Als die Struktur im Großen und Ganzen stand, haben sich die Führungskräfte für zwei Tage in einer Klausur zurückgezogen, um die Zuständigkeiten klar zu regeln. Diese Zuordnung hat die Zusammenarbeit in der Verwaltung deutlich verbessert. Zum einen wurden die Diskussionen über die Aufgabenzuschnitte deutlich reduziert, zum anderen konnten in den einzelnen Fachdiensten mehr selbständige Entscheidungen getroffen werden. Bei Bedarf standen außerdem die Fachbereichsleiter zur Verfügung, die einen entsprechenden fachlichen Hintergrund haben.

Diese Entwicklung war auch dadurch möglich, dass Tobias Wilbrand einige Entscheidungen delegiert hat. So müssen z.B. heute Transaktionen erst ab einem Wert von 5.000 Euro vom Bürgermeister freigegeben werden. Ansonsten steht dies in der Verantwortung der Fachdienst- bzw. Fachbereichsleitungen. Zuvor mussten auch Centbeträge vom Bürgermeister gegengezeichnet werden.

Interessanterweise hat das nach meiner Beobachtung jedoch nicht dazu geführt, dass der Bürgermeister in die Arbeitsabläufe und Entscheidungen weniger eingebunden wurde. Zum einen lag das daran, dass aufgrund der Unterbesetzung von Führungspositionen Tobias Wilbrand immer wieder auch Fachbereiche, ja sogar Fachdienste kommissarisch führte. Zum anderen stand die Tür unseres amtierenden Bürgermeisters immer offen. Wer Fragen hat oder einen Rat braucht, kann jederzeit zu ihm kommen. Ich war immer sehr beeindruckt, wie tief er in die unterschiedlichen Themen eingearbeitet ist und wie schnell er zwischen den verschiedenen Themen hin und her wechseln kann.

Insgesamt hat die Reform zum einen zu einem deutlichen höheren Maß an Klarheit in der Verwaltung gesorgt. Zum anderen ist durch den Beteiligungsprozess das Vertrauen untereinander und gegenüber der Rathausspitze deutlich gewachsen.

Eine weitere Amtszeit von Tobias Wilbrand wird der Gemeindeverwaltung helfen, diesen Prozess weitere zu konsolidieren. Auch deshalb wünsche ich mir eine zweite Amtszeit für Tobias Wilbrand.

Heike Vetter war fast 50 Jahre Mitarbeiterin der Gemeinde Egelsbach. Bereits während Ihrer Ausbildung zur Kinderpflegerin machte sie ihre Praktika in ihrem Heimatort. Als Erzieherin, Einrichtungsleitung, pädagogische Leitung und zum Schluss Fachdienstleitung Familie & Soziales, Schwimmbadbeauftragte und kommissarische Leitung des Fachbereichs Bürgerdienste hielt sie der Gemeinde Egelsbach über all die Jahre die Treue. Außerdem übernahm sie als Gleichstellungsbeauftragte Verantwortung. Sie blieb Egelsbach sogar noch über ihren Eintritt in die Rente erhalten, da der Fachbereich Bürgerdienste aufgrund mehrerer Renteneintritte sowie Schwangerschaften vor einem grundlegenden Umbruch stand und sie diesen Umbruch noch mit begleiten wollte. Für das Freibad engagiert sie sich bis heute.

Ihre große Erfahrung und ihre Perspektive von innen qualifizieren sie besonders, einen unabhängigen Blick auf die Veränderungen im Rathaus zu verwerfen. Deshalb wurde sie gebeten, hierzu einen kleinen Bericht zu schreiben.